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Katie Kitamura – Intimitäten

Eine junge Dolmetscherin aus New York, ihr Liebhaber mit ungeklärter Ehe- und Familiensituation und die ambitionierte Kunsthistorikerin aus London, die mit angezogener Handbremse ihren Job in einer Stiftung über-erfüllt:

sie alle sind gelandet in Den Haag, einer Stadt, die sie zwar als kultiviert aber seelenlos empfinden.

„Intimitäten“ der amerikanischen Schriftstellerin Katie Kitamura ist ein Roman über die Unbehausung der Anfang-Dreissiger:innen, die ihren Gefühle (noch nicht) trauen und ihren Weg in Leben, Arbeit und Gesellschaft erst noch finden müssen. Notfalls als Nomaden ihrer Emotionen und Fähigkeiten.

Jung, aktuell und gegenwärtig ist dieses Buch für die Leser:innen, die an den Widersprüchen unserer Zeit interessiert sind und vielleicht selber noch ein wenig suchend in die Welt blicken.

Hanser-Verlag 2022 / € 24,00
aus dem Englischen von Kathrin Razum

Alexa Hennig von Lange – Die karierten Mädchen

Blind und mit über neunzig Jahren beginnt Klara, ihre Erinnerungen auf Kassetten zu sprechen. Auf der Suche nach dem Menschen, der sie einmal war, vertraut sie den Bändern ein Geheimnis an, von dem nicht einmal ihre Kinder etwas wissen.

Siebzig Jahre zuvor: Die junge Klara ist überglücklich. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als dort eines Tages Tolla, ein einjähriges Mädchen, abgegeben wird, fühlt sich Klara ihm auf Anhieb stark verbunden. Doch bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims zu. Klara, die das Haus inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen nationalsozialistischen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat.

Die Nationalsozialisten wollen aus dem Heim eine Ausbildungsstätte für junge Frauen machen, in der Klara ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind vermitteln soll, statt sie zu eigenständig denkenden Menschen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft.

„Die karierten Mädchen“ ist der erste Band einer Trilogie, die vom Ende der 1920er bis in die 1960er Jahre reicht. Sie ist inspiriert von den Lebenserinnerungen Alexa Hennig von Langes` eigener Großmutter, die tatsächlich noch im hohen Alter mehr als 130 Tonbandkassetten für ihre Familie aufgenommen hat. Dieser Roman ist eine Empfehlung für Leser:innen von Regina Scheer („Gott wohnt im Wedding“), Ute Mank („Wildtriebe“) oder natürlich auch Susanne Abels „Stay away from Gretchen“.

Dumont-Buchverlag 2022 / € 22,00

Karl Ove Knausgard – Der Morgenstern

Wer den norwegischen Autor bislang nur als Verfasser seines ausschweifenden sechsbändig-autobiografischen Romanzyklus kennt, mag vor dem neuen Buch zurückgeschreckt haben. Aber keine Angst: dieser Roman ist völlig anders, für Knausgards literarischen Stil sogar ungewöhnlich unterhaltsam und dabei vielschichtig und vielstimmig. Er schildert einige Tage im norwegischen Sommer auf einer kleinen Insel aus der wechselnden Sicht mehrerer Personen.
Diese erzählen von ungewöhnlichen Ereignissen und vom Auftauchen eines sehr hellen Sterns am Nachthimmel, der, wie es scheint, Natur und Menschen verändert.
Ein wunderbar tiefgründiges und viel-seitiges Buch, das umso größere Freude bereitet, je mehr Seiten man ohne Unterbrechung am Stück lesen kann – perfekt für ein paar Muße-Tage.

Luchterhand-Verlag 2022 / € 28,00
Aus dem Norwegischen von Paul Berf

Andreas Schäfer – Die Schuhe meines Vaters

Dies ist das empathische Buch des Sohnes – Andreas Schäfer, 1969 geboren – getragen von dem Wunsch, seinen verstorbenen Vater näher kennen zu lernen. Er erinnert sich an ihn, sein Wesen, seine oftmals nicht sehr sympathischen Eigenschaften und die kriegsversehrte Kindheit.

Das sehr lesenswerte Ergebnis ist eine kunstvolle Begegnung mit einem schwierigen Menschen, einem unbeherrschten und rechthaberischen Individuum, und dennoch gelingt Schäfer ein zugewandtes Beschreiben.

Schuldgefühle und ängstliche Vergleiche mit dem dominanten alten Herren wechseln sich ab.
Ein Buch über Väter und Söhne, über Trauer und die Schwierigkeit, richtige Entscheidungen zur rechten Zeit zu treffen.

Die Schuhe des Vaters mögen als Bild von dem Wunsch erzählen, in ihnen gehen zu können.
Passen werden sie jedoch nie.

Dumont-Verlag 2022 / € 22,00

Isabel Allende – Violeta

1920 kommt Violeta del Valle als jüngste Schwester von fünf Brüdern zur Welt. Die Auswirkungen des Krieges sind noch immer spürbar, da verwüstet die Spanische Grippe bereits ihre südamerikanische Heimat.
Zum Glück hat der Vater vorgesorgt, die Familie kommt durch, doch schon droht das nächste Unheil, die Weltwirtschaftskrise wird das vornehme Stadtleben, in dem Violeta aufwächst, für immer beenden und die del Valles ziehen sich ins wild-schöne Hinterland zurück. Dort wird sie volljährig und schon bald steht der erste Verehrer vor der Tür.

Violeta erzählt uns selbst ihr Leben – am Ende ihrer Tage schreibt sie ihrem geliebten Enkel einen langen Brief. Sie schreibt von ihren Affären, den Jahren der Armut, von schrecklichen Verlusten und tiefempfundener Freude, von historischen Vorkommnissen, die ihr Leben geprägt haben und von dem Kampf für die Rechte der Frauen.

Wenn Sie das „Geisterhaus“ mochten, ihren Klassiker der lateinamerikanischen Literatur, dürfen Sie wieder Platz nehmen im Geschichten-Kino der Isabell Allende: Violeta ist ein wundervolles, dickes, manchmal fein wort-witziges, kluges und elegantes Werk über Familienbande, zerbrochene Beziehungen und ein weibliches Jahrhundertleben zwischen zwei Pandemien.

Sie können eintauchen in den Kosmos dieser großen Schriftstellerin, deren Sprache immer ein Vergnügen ist.
Die seltenen gefühligen Ausrutscher, die sie in den ansonsten epischen Text streut, würden vielleicht bei anderen Autor:innen stören.
Bei Isabel Allende stimmt jedoch ihre große Erzählkunst milde. Man verzeiht und genießt.

Suhrkamp-Verlag 2022 / € 26,00
aus dem Spanischen von Svenja Becker

Sachbuch-Tipp: Caroline Kraft und Susann Brückner – endlich. Über Trauer reden

Aus und zu dem Podcast der beiden Journalistinnen gibt es nun ein Buch. Endlich, möchte man sagen, da das Thema Trauer wirklich jede:n betrifft und dieses Gefühl so unendlich viele Facetten hat. Da war diese Auseinandersetzung überfällig. Und, um es gleich vorwegzunehmen: ich wünsche diesem Buch viele Leser:innen.

Ein schmales Buch und dennoch voll von guten, nützlichen, interessanten und so noch nicht gelesenen Fakten und Betrachtungsweisen. Es kommen außer Caro Kraft und Susann Brückner selbst, die im Wechsel anhand persönlichen Schicksale die unterschiedlichen Zustände der Trauer beleuchten, weitere Sachkundige zu Wort.

Experten wie Bestattungsunternehmer:innen, Trauerbegleiter und Angehörige aber auch Menschen, die ihren Verlust privat und ungeschönt darstellen. Und das „krass, zärtlich, schön, wütend, berührend und überraschend.“ Unverstellt berichten Prominente wie Nora Gomringer und Gabriele von Arnim von ihren Erfahrungen mit Tod und Trauer. Und auch vor Nennung ihres „All Time Bullshit Favoriten in allen Trauerfragen: Vielleicht war es besser so.“ schreckt Susann Brückner nicht zurück. Man versteht: auch Ärger gehört zur Trauerarbeit.

Neben den thematisch geordneten Kapiteln gibt es im Anhang eine Fülle von Literaturhinweisen, die zur Vertiefung der angesprochenen Beispiele einladen und eine weitere Beschäftigung mit dem Trauerprozess erleichtern.

Wunderbar ergänzt dieses Buch den gleichnamigen podcast in nachlesbarer und griffiger Ausführung und bietet so eine wertvolle Grundlage, sich dem so unvermeidlichen wie notwendigen Sujet zu nähern.

Goldmann-Verlag 2022 / € 17,00

Krimi-Tipp: Linus Geschke – Das Loft

Allen Krimibegeisterten, die nicht schon ab spätestens Seite 50 ahnen möchten, wer nun wen warum getötet hat, sei dieser wirklich hoch spannende neue Roman des Kölner Autors Linus Geschke empfohlen.

Drei Leben werden miteinander verwoben: Marc Lammert und Henning Järisch sind Freunde seit Jugendzeiten, Sarah Hauptmann wird als neue Freundin von Marc das Trio komplettieren. Zusammen bewohnt man ein super cooles Loft in Hamburg und niemand will so genau wissen, wie diese Luxuswohnung, ein schickes Edelauto und gemeinsame teure Reisen finanziert werden.

Als Henning Järisch verschwindet und alle Zeichen in der Wohnung auf einen Mord deuten, geraten Marc und Sarah in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen und wir Leser:innen von einer Gedankenfalle in die nächste. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive jede:r der beiden Verdächtigen erzählt und jede Aussage der beiden bringt uns neue Erkenntnisse.

Bis man mit einem erfreulich ungewöhnlichen Ende der Story belohnt wird, unterhalten reichlich überraschende Wendungen das Leser:innen-Herz. Ein feines Krimisahnestück!

Piper-Verlag 2022 / € 16,00

Miranda Cowley Heller – Der Papierpalast

Es ist früh am Morgen. Alle schlafen noch, als Elle Bishop an einem perfekten Augusttag zum See läuft. Im Sommerdomizil der Familie (ein paar altersschwachen Hütten, die der Großvater einst in Cape Cod gebaut hat) hat sie einen Abend mit Mutter Wallace, dem Ehemann Peter und den gemeinsamen Kindern sowie ihrer Jugendliebe Jonas und dessen Ehefrau verbracht.

Während die anderen nach dem Abendessen noch mit Wein und Zigaretten entspannen, sind sich Elle und Jonas am See unbemerkt von den anderen so nahe gekommen, wie sie es sich seit Jugendtagen ersehnt haben.

Befreundet sind sie seit der Kindheit und teilen nicht nur ein dunkles Geheimnis. Auch ihre sich mit den Jahren vertiefende Liebe musste vor den Ehepartnern (mit denen sie jeweils ein gutes Leben verbringen) versteckt werden. Wie soll es jetzt weitergehen? Elle muss ihre Entscheidung treffen.

Dies ist ein ganz und gar wunderbares Buch, das seine Leserschaft unmittelbar einzieht in eine faszinierende und fesselnde Geschichte. In Rückblenden wird erzählt, welch dramatisches Ereignis Elle und Jonas verbindet, das der übrigen Familie verborgen blieb.

Fazit: mit diesem Roman möchte man ein ungestörtes Wochenende verbringen!
Miranda Cowley Heller ist eine so tolle Erzählerin, dass man sich gerne von ihr noch eine Weiterführung dieser Story wünschen würde. Oder eine neue, möglichst bald.

Ullstein-Verlag 2023 / € 23,99
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Susanne Höbel

Krimi-Tipp: Anna Jansson – Leichenschilf

Kommissar Kristoffer Bark leidet: seit dem Verschwinden seiner Tochter Vera vor 5 Jahren sucht er erfolglos nach Spuren ihres Verbleibs, kümmert sich um seine geschiedene, drogenabhängige Ex-Ehefrau und verrichtet seinen Polizei-Job mehr recht als schlecht.

Zeit für eine Veränderung, findet seine Chefin, und strafversetzt ihn in eine Abteilung für Cold Cases, ohne zu wissen, das dies genau der richtige Ort für ihn ist, um parallel zu den alten Fällen wieder nach Vera zu suchen.

Mittsommer-Mord, schwedische Seenlandschaft und eine verletzte Polizistenseele: ein klassischer Skandinavien-Krimi mit überraschender Auflösung. Hoffnung für Bark, seine Impulskontrollstörung und einiges mehr in den Griff zu bekommen, gibt es bereits in Gestalt der ihm sehr sympathischen Therapeutin Mia Berger.

Man darf sich schon auf die Fortsetzung der neuen Reihe im Herbst 2022 freuen.
Anna Jansson hatte als Autorin u.a. mit der TV-Serie „Maria Wern, Kripo Gotland“ bereits Erfolg mit abgründigen Kriminalgeschichten.

Blanvalet-Taschenbuch 2022 / € 11,00 / Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann

Judith W. Taschler – Über Carl reden wir morgen

Große Liebe, bäuerliche Engstirnigkeit, Geschwister und Geheimnisse:

Judith Taschler erzählt in ihrem farbenfrohen Roman die drei Generationen umspannende Geschichte der Familien Brugger und Eder im österreichischen Mühlviertel von Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die 1920er Jahre.

Immer wieder verbinden und trennen sich Verliebte, verbergen sich kleine Heimlichkeiten hinter größeren Betrügereien und geraten Menschen in die Mühlen der Geschichte. Geburt und Tod, starke Frauen und schwache Männer, eigensinnige Brüder und tapfere Töchter – nichts lässt Judith Taschler aus, wenn sie uns mitnimmt auf die Zeitreise zwischen Europa und Amerika.

Vielstimmig und ihren Protagonist:innen zugewandt spannt die Autorin, selbst in Linz geboren und im Mühlviertel aufgewachsen, den der eigenen Familienchronik angelehnten Bogen. Das macht sie gekonnt und mit einem guten Gespür für Dramatik schafft sie so Unterhaltung mit Tiefgang.

Verlag Zsolnay 2022 / € 24,00