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Stephanie Danler – Sweetbitter

Kellnerin zu werden war nicht gerade der Berufswunsch von Tess, die zum Studium aus der Provinz nach New York kommt. Doch als sie sich auf eine Stelle im angesagten Edel-Restaurant am Union Square bewirbt und diese überraschenderweise auch noch bekommt, verschiebt sie ihre Studienpläne erst einmal. Als Hilfskellnerin erfährt sie hautnah die Rang- und Hackordnung der Gastro-Szene, lernt nach und nach die Weine zu unterscheiden, die sie abends den Gästen servieren wird und bekommt langsam ein Gefühl dafür, was gutes Essen ausmacht.

Ihr Leben spielt sich fortan fast ausschließlich zwischen dem Café und ihrem WG-Zimmer ab, wo sie todmüde nach jeder Schicht ins Bett fällt.
Soziale Kontakte gibt es ausschließlich zu den übrigen Angestellten des Restaurants und geflirtet wird mit den Kolleginnen und Kollegen. Wann sollte Tess auch andere Menschen außerhalb dieses Universums kennenlernen?

„Ich gehörte nicht mehr zu (dieser) Welt. Wir nannten sie die „Geregelten“.  Sie arbeiteten täglich von 9 bis 17 Uhr. Geregelte Arbeitszeiten. Sie lebten im Einklang mit der Natur, wachten und schliefen mit der Sonne. Essenszeiten, Geschäftszeiten – die Welt richtete sich nach ihrem Tagesablauf. … Die „Geregelten“ füllten die Kinos, Vernissagen und Töpferkurse. … Sie reservierten Tische zum Abendessen, denn sie aßen zu normalen Zeiten.“

In Tess´ Leben gibt es keine geregelte Normalität, sondern lange, ermüdende Schichten im Café und anschließend den Gang in die benachbarte Bar um die Ecke, in der sie mit den Kollegen Koks und Drinks zur Entspannung nimmt. Gelegentlicher Sex und unverbindliche  Flirts ersetzen eine Liebesbeziehung. Das Leben beschränkt sich auf den Job und die wenigen Momente der Freizeit bringen keine Erholung.

Stephanie Danler, die selbst ihre Erfahrung in der New Yorker Szene gesammelt hat, beschreibt sehr eindrücklich, oft schonungslos und krass, ein obsessives Leben am Limit, aber auch den unvergleichbaren Genuss, den gutes Essen und Trinken bedeuten kann.

Dieser kraftvolle Roman ist eine spannende Lektüre (auch) für jüngere Leser zwischen zwanzig und dreißig, die vielleicht noch auf der Suche nach ihrer Bestimmung und der Erfüllung ihrer Träume sind – ob in New York oder in einer anderen Metropole.

Dass Leser, die sich auf den Sound des Buches einlassen, bei ihrem nächsten Restaurantbesuch das Personal des Lokals mit verändertem Blick wahrnehmen, ist ein vielleicht nicht beabsichtigter aber dennoch unausweichlicher Nebeneffekt der Geschichte.
Ein lesenswertes Buch und eine ausgezeichnete neue Autorenstimme.


Stephanie Danler „Sweetbitter“, Aufbau-Verlag 2017, € 21,95
Aus dem Amerikanischen von Sabine Kray